von Eric Schmidt (Heilbronner Stimme)
Gewichtheben - Ralf Fein hatte gute Nachrichten. Es war kurz vor 22 Uhr, als der Routinier des TSV Heinsheim nochmals zu seinem Handy griff und zu Hause bei seiner Frau Martina Dosquet anrief. „619 Punkte.
Wir haben gewonnen“, sagte er im Stile eines Berichterstatters, um wenig später die Liveschaltung aus der Josef-Müller-Halle zu beenden. Fein lächelte. Und war stolz und glücklich. Und trotzdem irgendwie irritiert. „Es war ein komisches Gefühl heute. So ohne meine Frau“, erklärte er.
Mit 619,2:566,2 hatte der Zweitligist am Samstagabend in seinem ersten Heimkampf den AC Weinheim bezwungen. 150 Schaulustige waren gekommen, um die „Blaumänner“ in den blauen Kampfanzügen zu bewundern. Doch ganz vorne im Saal hatte jemand gefehlt, der zum Verein gehört wie der Eiffelturm zu Paris: Martina Dosquet. Die Abteilungsleiterin und First Lady des TSV hatte am Tag zuvor ihren ganz persönlichen Muttertag erlebt und eine Tochter namens Natalie zur Welt gebracht. 48 Zentimeter groß, 3850 Gramm schwer - das Baby ist nicht von schlechten Eltern, bedarf aber natürlich der Pflege. Zum ersten Mal seit 13 Jahren verpasste Martina Dosquet einen Wettkampf. „Jetzt hat die Mannschaft gezeigt, dass sie auch ohne mich gewinnen kann“, meinte sie.
Nein, es war keine schwere Geburt gewesen. Der TSV entband sich seiner Aufgabe gegen den AC Weinheim sicher und souverän und geriet nie ernsthaft in Gefahr. Das Reißen entschied er mit 231,6:200,6 für sich, das Stoßen mit 387,6:365,6. Am Ende hatte der TSV mehr Punkte gestemmt als bei seinem ersten Saisonsieg beim SV Germania Obrigheim II - eine Steigerung, die zu Hoffnung Anlass gibt. „Das ist vollkommen in Ordnung. Ich denke, wir können zufrieden sein“, sagte Trainer Karlheinz Grauf und meinte: „Das Schöne ist ja, dass wir noch immer Luft nach oben haben.“
Kraftakt Für den Höhepunkt des Abends hatte Kapitän Oliver Ehemann gesorgt. Der Obelix im Team stieß zum ersten Mal in seiner Karriere 177 Kilogramm. Als er seinen persönlichen Rekord aufstellte und mit einem Lächeln im Gesicht die Last über sich trug, tobte das Publikum. Auch die anderen Athleten wurden mit Beifall belohnt. Kai Wittmann wurde mit 97,0 Zweikampfpunkten als drittstärkster Heber des TSV gefeiert, Marcel Heinzelmann kämpfte sich bei seiner Heimpremiere zu 93 Punkten - trotz Verletzung. Sechs Richtige und sechs gültige Versuche steuerten Falk Künzel und Ilian Tzankov bei.
Nur Vater Ralf Fein schwächelte etwas. Drei Fehlversuche leistete sich der Routinier. Er hatte 118 Kilogramm vor Augen, aber 3850 Gramm im Kopf: sein Baby. „Ich war mit den Gedanken woanders. Als dann noch ein Kind in der Halle geweint hat, hab’ ich gedacht: Jetzt ist meine Frau doch noch hierher gekommen“, sagte er und bedankte sich bei den Teamkameraden: „Sie haben mich mitgezogen.“
Tabellenführer Es hat sich gelohnt: Nach zwei Wettkampftagen steht der TSV Heinsheim ganz oben in der 2. Bundesliga Südwest und kann Platz eins bereits in zwei Wochen festigen, wenn es zum Kräftemessen beim KSV Hostenbach geht. Wer den TSV kennt, weiß: Er wird das Kind schon schaukeln. Oder um es mit Ralf Fein zu formulieren: „Jetzt wollen wir nachlegen.“
TSV Heinsheim: Kai Wittmann (64,0 kg Körpergewicht) 97,0 Punkte (97 kg Reißen/115 kg Stoßen; Ilian Tzankov (68,8 kg) 164,0 Punkte (132 kg/162 kg); Ralf Fein (69,6 kg) 73,0 Punkte (95 kg/111 kg); Falk Künzel (77,9 kg) 90,0 Punkte (110 kg/134 kg); Marcel Heinzelmann (83, 4 kg) 93,2 Punkte (118 kg/142 kg); Oliver Ehemann (109,6 kg) 102,0 Punkte (133 kg/177 kg). AC Weinheim: Andreas Wagner (57,9 kg Körpergewicht) 97,0 Punkte (81 kg Reißen/108 kg Stoßen); Milan Horak (68,8 kg) 95,0 Punkte (100 kg/125 kg); Sascha Münzner (68,9 kg) 81,0 Punkte (95 kg/116 kg); Danny Sembach (74,6 kg) 81,0 Punkte (101 kg/125 kg); Tobias Strittmatter (75,7 kg) 107,0 Punkte (110 kg/145 kg); Artur Duraj (80,9 kg) 105,2 Punkte (117 kg/150 kg).